Bow Echo Chasing am 5. Juni 2022 über OÖ

Am 5. Juni 2022 gab es über weite teile Mitteleuropas schwere Unwetter. Am Flughafen Innsbruck wurden Orkanböen über 140km/h gemessen und stellenweise Hagel mit mehreren Zentimeter Durchmesser. So Flächendeckend wie an diesem Tag wurden die letzten Jahre selten so heftige Erscheinungen registriert. Allerdings war schon einige Tage zuvor in den Wetterkarten absehbar, dass es zu so einer verheerenden Entwicklung kommen wird. Deswegen haben wir beschlossen aufzubrechen, um die Unwetter dieses Tages zu dokumentieren.

Synoptik

Schon einige Tage zuvor, deuteten die Wettermodelle den Durchzug eines Trogs an, allerdings war lange Zeit nicht wirklich eindeutig, welche Begleiterscheinungen dabei stattfinden werden. Bis dann kurz vor dem Ereignis die Modelle einig wurden.

In folgender Animation sieht man sehr schön den Tiefdruckwirbel, wie er im Warmluftsektor Energiereiche Luft mit sehr hohen äquivalentpotentielle Temperaturen mit sich bringt und dahinter sofort die kühlere Luft nachströmt. Besonders auch die Unwetterfront entlang der Alpennordseite ist anhand des starken Gradienten von West nach Ost ziehend im Lauf der Animation deutlich.

Etwas weiter westlich zeigt das Windprofil des Atmosphären Soundings von München dieses Tages sehr schön die zunehmende Windgeschwindigkeit mit der Höhe. Von wenigen Knoten am Boden auf über 45 in der Höhe. Das entspricht ca 83km/h, was dann auch die zu erwartende maximale Zuggeschwindigkeit in dieser Region zeigt, ebenso auch die Richtungsscherung ist schön erkennbar. Weiter östlich wurde der Jet noch deutlich stärker, bei ebenso deutlicher Südostströmung.

In der CAPE Prognosekarte konnte man auch erstmals einen möglichen Verlauf der Unwetter klar erkennen. Wobei noch nicht ganz sicher war, wie viel der Energie von den Unwettern im Bergland letzten Endes tatsächlich aufgebraucht werden wird. Eindeutig zu sehen ist jedoch die Advektion der energiereichen Luft aus Südost und die durchlaufende Kaltfront des Tiefdruckgebietes von West nach Ost.

Quelle: https://kachelmannwetter.com/at

Ablauf des Unwetters

Wie schon vorhin beschrieben, waren alle Parameter perfekt für eine heftige Unwetterlage. Gute Scherung, viel verfügbare Energie und eine Kaltfront, die diese Energie aktiviert. In folgender Sattelitenbild Karte mit eingezeichneten Wetterfronten der ZAMG nur als klein gekennzeichnet, erkennt man ebenfalls klar diese Kaltfront. Trotz Ihrer geringen Größe brachte sie beachtliche Unwetter.

Ein ebenso wichtiger Parameter der leider oft vernachlässigt wird ist der CIN, der sogenannte Deckel. Dieser war in unserem Zielgebiet sehr hoch. Das hat sozusagen alle vorlaufenden Entwicklungen unterbunden und erst durch die eintreffende Front, wurde dieser “Deckel” gebrochen. Das hat allerdings auch bedeutet, dass die Entwicklungen im Bergland vermutlich schwächer ausfallen würden, als laut der CAPE Prognosekarte angenommen.

Auf der Blitzkarte sind die Entwicklungen schön zu erkennen, wie die Front als Bow Echo über Bayern nach Oberösterreich rein zieht, eine Schwächephase über dem westlichen Niederösterreich durchläuft, bevor diese dann noch einmal über dem Wienerraum heftig aufflammen konnte. Ebenso deutlich erkennbar sind auch die nur wenigen ortsgebundenen Gewitter über dem Bergland, die die hohe CAPE über dem Zentralraum nicht angegriffen haben.

Modellverifikation

Wettermodelle bieten oftmals eine sehr gute Grundlage um den Ablauf von Unwettern abschätzen zu können. Meist finden sich Warnkarten mit einer groben Abschätzung, welche Gebiete betroffen sein können. Gewitter sind meist nur sehr punktuelle Ereignisse und das macht es um so schwerer punktgenaue Prognosen zu erstellen.

So bietet zB die ESTOFX – European Storm Forecast Experiment ein solchen Service an, der in den meisten Fällen die Gebiete sehr gut trifft. In Ihrer eigenen Verifikationskarte dieses Tages sieht man einmal mehr, wie gut deren Arbeit ist.

Den gesamten Forecast für diesen Tag gibt es hier nachzulesen: ESTOFEX Forecast 5. Juni 2022

Andererseits bieten aber auch verschiedenste Wettermodelle Karten an, die den möglichen Ablauf des Ereignisses abbilden sollen. Diese Berechnungen versuchen beinahe punktgenaue Prognosen zu erstellen, was klarer Weise eine viel höhere Fehlerquote mit sich bringt. Jedoch konnte an diesem Tag das ICON D2 Modell den Ablauf sehr gut Vorhersagen, was in so einer Genauigkeit fast eine Seltenheit darstellt. Im folgenden zeige ich dieses Modell, verglichen mit den Tatsächlichen Radarsignalen des Tages.

Als erstes die berechnete Prognose des ICON D2 Modells:

Das hier sind die tatsächlich registrierten Radarsignale dieses Tages:

Einzig die Unwetter über dem Bergland wurden etwas zu heftig modelliert (siehe CAPE Prognosekarte), was aber auch für einen ungestörteren Durchzug des Bowechos sorgte. Großteils wurde das Ereignis sehr gut Vorhergesagt, wie auch der Sprung über das Mostviertel und das erneute Aufflammen im Wiener Raum, östlich von St. Pölten.

Das Chasing

Die Jagd von Sattledt bis Wieselburg

Obwohl die Front erst nach 18h über Oberösterreich eintreffen sollte, beschlossen wir das Unwetter zu jagen und fuhren zum Voralpenkreuz bei Sattledt. Dort suchten wir uns einen schönen Standort, nahe der Autobahnauffahrt, und ließen das Unwetter auf uns zukommen.

Zuerst Bot sich allerdings ein wunderbar Idyllisches Bild, obwohl in der Ferne schon die Unwetterfront erkennbar wurde und Mammaten am Himmel die Front ankündigten.

Allerdings zog die Front sehr schnell mit über 60km/h, weswegen auch der Himmel rasch dunkler wurde.

Dann ging es schnell und binnen 15min schälte sich diese kleine, aber giftige Böenfront aus dem Dunst am Horizont heraus.

Noch schnell ein paar Fotos und ab ins Auto um zu flüchten, denn in der Region brachte dieses Unwetter binnen kürzester Zeit über 50-70mm Niederschlag und schweren Sturm! Ab diesem Zeitpunkt ging es dann schnell.

Mit rasendem Tempo eilten wir zur Autobahnauffahrt, aber auch das Unwetter kam schon bedrohlich Nahe.

Kurz vor der Autobahnauffahrt war das Unwetter wohl nur noch wenige Kilometer entfernt, aber zum Glück gelang die Flucht auf der Autobahn.

Wären wir nur ein paar Minuten länger am Standort geblieben, hätten wir es nicht mehr geschafft und das Chasing wäre frühzeitig vorbei gewesen. So allerdings konnten wir das Bowecho entlang der A1 wunderbar begleiten.

Desto weiter wir fuhren, desto imposanter wurden die Strukturen. Als wir wieder etwas Vorsprung gewonnen hatten, machten wir einen kurzen Stopp, um die nun außergewöhnlich prächtige Shelfcloud zu fotografieren.

Nach paar Minuten war es aber schon wieder Zeit weiter zu fahren und auf der Autobahn wurden wir dann doch eingeholt und von der Seite erwischt.

Zum Glück war das Unwetter zu diesem Zeitpunkt schon bei Amstetten eher Outflowdominant. Das war auch so in den Prognosekarten vorhergesagt und somit konnten wir trotz der heftigen Sturmböen die Shelfcloud weiter begleiten.

Ein eindrucksvoller Anblick, wie diese Druckwelle der mittlerweile schon viele Kilometer zurückliegenden Unwetter übers Land fegte.

Bei Wieselburg beschlossen wir dann uns überrollen zu lassen, da das Unwetter in der energiearmen Luft schon massiv an Kraft verloren hatte und auch die Shelfcloud langsam immer mehr an Struktur verlor.

In nachfolgender Animation hab ich unseren Weg mit den Radardaten überlagert, was sehr schön unser Glück zeigt.
Für Animation Grafik bitte anklicken.

Der Volltreffer östlich von Wien

Da allerdings im Wienerraum noch weitere Entwicklungen vorhergesagt wurden und solche Druckwellen jederzeit noch weitere Unwetter triggern können, haben wir beschlossen noch weiter zu fahren und positionierten uns östlichen von Wien.

Dort hatte es nicht lange gedauert und mit einer eindrucksvollen Blitzshow näherte sich die Front, mit ebenfalls kurzlebigen eingelagerten Mesozyklonen.

Auswirkungen

Wie schon in der Estofex Forecast Verifikation ersichtlich, gab es an diesem Tag sehr viele Sturmschäden, Meldungen über Starkregen und Hagelmeldungen. Wobei an diesem Tag vor allem der Sturm ein Thema war, wie die Maximalwerte der folgenden Animation verdeutlichen.

Aber auch der Starkregen, stellenweise bis über 100mm mit Durchzug der Front, brachte leider wieder ehrbliche Schäden mit sich.

Laut INCA-Analyse der ZAMG wurden sogar punktuell bis zu 144mm registriert, was ein durchaus beachtliches Ereignis darstellt.

Quelle: http://www.zamg.ac.at/incaanalyse/

Die Wolkentops dieses Tages zeigen die Heftigkeit, wie hochreichend die Unwetter waren. Dies ist ebenso ein Indikator für schwere Unwetter und sehr deutlich ist der zweite Ausschlag in der Nacht über dem Wienerraum.

Ebenso die Radaranimation dieses Tages zeigt die Druckwelle in Form eines Bogenechos sehr klar. Die schwarzen Kreuze sind die Blitze.

Quelle: http://radar.bourky.cz/

Schlusswort

Die Gewitterjagd bzw. das Stormchasing wird ein immer populäreres Thema, aber auch immer wichtiger, vorallem in Zeiten der Klimaveränderung. Tendenziell können immer schwerere Unwetter erwartet werden, was auch die Vorhersage, Dokumentation und nachträgliche Analyse um so wichtiger macht. Diesem Thema habe ich hier einen Großteil dieses Blogs gewidmet. Allerdings auch mein Studium befasst sich mit dem Schwerpunkt der Gefahren die von solchen Unwettern ausgehen und der Prävention. Materielle Schäden können nur bedingt und langfristig verhindert werden, kurzfristig ist nur der Personenschutz möglich. Bei solch einer Jagd stehen wir immer in Verbindung mit den Wetterdiensten und dem Verein Skywarn Austria um entsprechende Warnungen Vorort abzugeben. Leider werden durch digitale Medien nie alle Menschen erreicht und somit ist der beste Schutz, die Aufklärung. Aufklärung über das Thema selbst und Schulung, damit jeder einzelne die Gefahr einschätzen kann und entsprechende Maßnahmen zum Selbstschutz treffen kann. Das ist der beste Schutz für jeden Einzelnen!

Trotz des Ernstes bei diesem Thema, darf auch die Leidenschaft und die Freude an der Sache nicht zu kurz kommen. Deswegen möchte ich ein Video zeigen, was diese imposante und spannende Jagd so wie die damit verbundenen Eindrücke zeigt. Viel Spaß beim Schauen.

LINK ZUM VIDEO

https://www.youtube.com/watch?v=jo_XEiFypDE

Quellen:

https://kachelmannwetter.com/at
http://www1.wetter3.de/animation.html
http://weather.uwyo.edu/upperair/sounding.html
https://www.zamg.ac.at/cms/de/wetter/wetterkarte
http://www.zamg.ac.at/incaanalyse/
https://www.blitzortung.org/en/live_lightning_maps.php?map=16
https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/sat/data_jsmsgview.html
http://radar.bourky.cz/
https://www.wetterzentrale.de/
https://www.estofex.org/

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