Rekordhochwasser September 2024 – Bestätigung eines Trendes

Bisherige Artikel zu diesem Ereignis

Teil 1: Erste Anzeichen auf ein Rekordhochwasser
Teil 2: Analyse und Vergleich mit früheren Hochwässern
Teil 3: Starkregen und Hochwasserverlauf

Leider trafen die schlimmsten Befürchtungen nach Auswertung der Prognosen im September 2024 wirklich ein und es folgte eine Flutkatastrophe wie sie Niederösterreich und Teile Wiens in ihrer jüngeren Geschichte noch nicht erlebt haben.

Inhalt:

In diesem Artikel werden folgende Themen näher behandelt:

Vorgeschichte und Prognosen

Bis Mitte September verlief der Sommer 2024 wie jeder Sommer, seit die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spürbar sind. Ein Hitzerekord jagt den Nächsten und einzelne besonders schwere Unwetter, die durch den höheren Wassergehalt noch intensiver ausfallen.

Insgesamt blieb der Sommer 2024 dem Trend der letzten Jahre treu mit durchwegs zu hohen Temperaturen.

Quelle: https://klimaportal.geosphere.at/klimamonitoring/?view=fullscreen&param=t&period=period-ys-2024-2&ref=1

Die Niederschlagsverteilung über den Sommer 2024 blieb hingegen durchschnittlich mit lokal begrenzten Abweichungen.

Quelle: https://klimaportal.geosphere.at/klimamonitoring/?view=fullscreen&param=rr&period=period-ys-2024-2&ref=1

Allerdings zeigten schon eine Woche vor dem Ereignis die Wettermodelle ein Besorgnis erregenden Trend.

Aus diesem Grund kam schon die erste Warnung vor einem möglichen großen Hochwasser vom 13. bis 16. September am 10. September.

Drei Tage später zeichnete sich schon ein klareres Bild in den Prognoise Karten und der wahrscheinliche Ablauf des Ereignisses konnte somit betrachtet werden. Aus vermeintlichen Berechnungsanomalien, wurden ernst zu nehmende Prognosen. Niederschlagssummen punktuell über 400mm binnen weniger Tage schienen nun als gesichert.

Einstufung des Ereignisses und Beschreibung

Im Vorfeld des zu erwartenden Ereignisses ist eine Analyse zu den Hochwässern von 1975, 1996, 1997, 2007, 2009 und 2014 erstellt worden. All diesen vorhergehenden Ereignissen gemein ist, dass zumeist Niederschlagssummen von rund 200 bis maximal knapp über 300 Liter pro m² in 3-5 Tagen gemessen wurden. Diese Summen übertrafen die Prognosekarten und später die Messdaten allerdings deutlich.

Ergänzend eine weiterführende Analyse mit Linksammlung zu diesem außerordentlichen Ereignis.

Weiterführende Sammlung zu Analysen und Berichten

Die meteorologische Beschreibung eines solchen Extremereignisses ist ebenso von großer Bedeutung. Der Vortrag von Meteorologen Manfred Spatzierer zu diesem Ereignis vermittelt besonders das Verständnis zur Entstehung einer solchen Wetterlage.

Webseite: https://www.stormscience.at

Erläuterungen zur Datenauswertung

Wie schon im Teil 2: Analyse und Vergleich mit früheren Hochwässern, werden nun auch hier die Daten einiger ausgewählter Messstationen herangezogen. Aufgrund der Datenverfügbarkeit sind nicht alle Datensätze aus der vorhergehenden Analyse verfügbar, weshalb die Messdaten der nächstgelegenen Messstation nach dem Prinzip des einfachen Interpolationsverfahren “Nearest Neighbor” verwendet werden, um nicht verfügbare Datensätze zu ersetzen.

Verwendet wurden entsprechend der Analyse aus Teil 2 die Daten folgender Messstationen:

  • Brunngraben – nicht verfügbar
  • Lillienfeld (Tarschberg) – ersetzt Hofstetten an der Pielach
  • Lackenhof
  • Neuhaus am Zellerrain
  • Opponitz
  • Phyra
  • Kernhof – ersetzt St. Aegyd
  • St. Leonhard am Walde
  • Laab im Walde – ersetzt Tullnerbach
  • Türnitz
  • Wieselburg
Quelle: https://ehyd.gv.at/

Detaillierte Datenauswertung

Im Folgenden werden die Niederschlagssummen der Dauerstufen von D=1 Tag, 4 Tage und 6 Tage der Wiederkehrszeit von T=10, 50 und 100 Jahren gegenüber gestellt. Die Wiederkehrszeit T ist das Zeitintervall, in der eine Niederschlagshöhe in mm für eine bestimmte Dauerstufe D mindestens einmal im Durchschnitt zu erwarten ist. Diese Niederschlagshöhe ist ein statistisch errechneter Wert aus den Messreihen der zur Verfügung stehenden Messstationen und in dieser Analyse wurde der Bemessungsniederschlag 2020 der Seite https://ehyd.gv.at/ des BMLUK verwendet. Der Einfachheit halber, wird der nahegelegenste Bemessungspunkt des 6x6km großen Bemessungsrasters, zur Einordnung der gemessenen Niederschlagssummen verwendet. Das bedeutet, dass die Bemessungswerte nicht exakt den zu erwartenden Werten an der Messstation entsprechen, aber eine gute Annäherung liefern.

D = 1 Tag – Der Tag mit den größten Niederschlagssummen

Bemerkenswert ist die extreme Tagessumme im östlichen Mostviertel, repräsentativ dafür ist die Messstation Phyra. Diese Niederschlagshöhe übertrifft selbst T=100 Jahre deutlich und ist somit statistisch nur schwer einzuordnen. Manche südwestlicher gelegene Stationen im Nordstau der Alpen, konnten hingegen nur ein kleineres Ereignis im Bereich T=<10 Jahre verzeichnen.

D = 4 Tage

Wird ein längerer Zeitraum mit den stärksten Niederschlägen betrachtet, ändert sich das Bild deutlich. Sämtliche Stationen verzeichnen ein Ereignis T=>100 Jahre und die Verteilung wird deutlicher, mit dem Schwerpunkt im östlichen Mostviertel und der Wienerwaldregion.

D = 6 Tage

Die Summen über die gesamte Ereignisdauer betrachtet, lässt die Hotspots hervorstechen und punktuell sind durch konvektive Verstärkung weit über 450 Liter pro m² in weniger als einer Woche gemessen worden. Selbst im regenreichen Nordstau wurden verbreitet T=100 Jahre um 10-20% übertroffen und im östlichen Mostviertel stellen diese Niederschlagssummen einen statistischen Ausreißer da, wie es bisher nicht bekannt war. Selbst die größten gezeigten Starkregenereignisse der jüngeren Geschichte wurden hier teilweise um rund 50-100% übertroffen.

Auswirkungen

Zu den Auswirkungen dieses Ereignisses kann zusammenfassend gesagt werden, dass es verbreitet zu fatalen Überschwemmungen kam. Verbreitet wurden entsprechend den Niederschlägen Hochwassermarken HQ10-HQ100 erreicht, besonders im östlichen Mostviertel wurden auch diese weit übertroffen und sind teilweise statistisch nicht mehr zuordenbar, wie zB entlang der Perschling in Böheimkirchen.

Einige Durchflüsse werden laufend nach oben korrigiert , da die Messstationen für so hohe Abflüsse nicht konzipiert waren und einzelne Ganglinien zu niedrige Werte zeigen. Aktuell (September 2025) werden die Daten des Ereignisses noch ausgewertet und ausgebessert.

Zukunftsaussicht

Wie schon im Vorfeld gezeigt, gab es in den letzten Jahren immer wieder größere Ereignisse, aber auffällig erscheint, dass besonders in den letzten Jahren eine Häufung von bisher unbekannten Starkregenereignissen auftritt.

Um nur ein paar einzelne Ereignisse dieses Trends zu erwähnen.

Dies lässt sich auch mit den zur Verfügung stehenden Daten belegen und die WWA – World Weather Attrbution beschäftigt sich mit der Intensitätszunahme durch die menschengemachte Klimaerwärmung.

Artikel über die Verstärkung der Septemberflut 2024 durch die Erderwärmung.

Zusammenfassend aus dem Artikel zum Hochwasser im September 2024 lässt sich sagen, dass konservativ gerechnet, ohne konvektive Verstärkung und ohne regional begrenzte Effekte, zumindest eine Verstärkung von 7% angenommen wird und die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkehrintervalls doppelt so hoch ausfällt.

Das bedeutet nun, dass wenn ein Ereignis größer als T=100 Jahre angenommen wird, nach neuen Maßstäben eigentlich nur noch im Bereich T=50 Jahre anzusiedeln wäre. Die genannte Intensitätssteigerung um 7% mag auf anhieb nach wenig klingen, aber konzentriert auf einen kleineren Raum, kann dies wie im Falle des Septemberhochwassers 2024 Effekte wie im östlichen Mostviertel hervorrufen, wo sogar größere Infrastrukturen schwer beschädigt wurden.

Physikalische Grundlagen

Zum Verständnis, in welchem Ausmaß die steigenden Temperaturen solche Extremereignisse beeinflussen können, zeigt die Grafik den Sättigungsdampfdruck der Luft mit der Temperatur in Grad Celsius. Desto wärmer es wird, desto mehr Wasser kann die Luft aufnehmen. Diese Kurve verläuft allerdings nicht linear. Aus diesem Grund bringt jedes Grad Erwärmung verhältnismäßig mehr Wasser in die Atmosphäre, als das vorherige Grad Erwärmung.

Bedeutung für unsere Infrastruktur

In den vorherigen Abschnitten wurde anhand von Daten gezeigt, dass Starkregenereignisse häufiger und intensiver auftreten. Allerdings muss auch die Seite der Auswirkungen betrachtet werden, was besonders unsere Infrastruktur betrifft.

In der EN 1990 (Eurocode 0) mit dem Titel “Grundlagen der Tragwerksplanung” werden Beispiele für die üblichen Nutzungsdauern in Abhängigkeit von der Bauwerkskonstruktion bzw. der Art der Nutzung angegeben. So wird üblicherweise das 100 jährliche Ereignis, Im Falle des Starkregens T=100 Jahre oder Im Falle des Hochwassers HQ100, als Bemessungsgrundlage für viele Bauvorhaben wie z.B. Brücken oder Staudämme herangezogen und nur strategische Infrastrukturbauwerke oder Schutzbauwerke werden größer bemessen.

Steigt jedoch die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses, sind die Bemessungsgrundlagen vorhandener Bauwerke zu gering. Besonders im Falle von Brücken oder Schutzdämmen kann dies zu großen Problemen führen.

Das bedeutet, dass die vorhandene Infrastruktur weiträumig überarbeitet werden muss um in Zukunft Schäden möglichst gering zu halten. Bis zur finalen Umsetzung, kommen entsprechende Warnsysteme vermehrt zum Einsatz.

Das österreichische Warnsystem

Traurige Realität ist leider, dass die Vorbereitungen zu diesem doch recht gut vorhersehbaren Extremereignis in Österreich nur schleppend voran gegangen sind und massiv unterschätzt wurden. Eine nur gelbe Warnung zwei Tage vor dem Höhepunkt war angesichts der Prognosen viel zu niedrig angesetzt.

Auch der staatliche Wetterdienst hatte im Vorfeld zu niedrige Warnungen angesetzt, eine mittlere Warnung vor einem Jahrhundert bzw. Jahrtausendereignis ist einfach maßlos untertrieben.

Quelle: https://warnungen.zamg.at/wsapp/de/alle/gesamterzeitraum

Von außerhalb des Landes betrachtet und in Worte gefasst, hat das Ereignis und der Status der Warnungen vorm Eintreten der Wetterdienst https://kachelmannwetter.com/at im Live-Stream. Die zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Lage ist hier sehr klar beschrieben.

Positiv ist allerdings hervorzuheben, dass zumindest am Tag vor der Katastrophe die Warnungen der Lage entsprechend verschärft wurden.

Quelle: https://warnungen.zamg.at/wsapp/de/alle/gesamterzeitraum

Leider sehr spät, aber seither wurden viele Verbesserungen durchgeführt und auch auf höchster Regierungsebene werden weitere Verbesserungen in Aussicht gestellt .

Lehren aus dem Hochwasser 2024 – Land NÖ stärkt Schutz

Seit diesem Ereignis ist auch positiv hervorzuheben, dass im Land die Funktionalität der Frühwarnsysteme verstärkt voran getrieben wird.

AT-Alert – Früwarnsystem zur Bevölkerungswarnung

Mit diesen positiven Entwicklungen durch die Katastrophe im September 2024 gilt es nur noch zu hoffen, dass die Warnungen, Infrastrukturanpassungen und Vorbereitungen für das nächste Ereignis wie erhofft funktionieren werden.

Abschließende Eindrücke

Um ein Bild von den gewaltigen Wassermassen zu bekommen, möchte ich auch gerne meine Eindrücke aus Wieselburg am Zusammenfluss der großen Erlauf (max. HQ50-HQ100) und kleinen Erlauf (max. HQ10) am 15. September 2024 teilen. Nach dem Zusammenfluss erreichte die Erlauf in etwa ein HQ30, was den dritthöchsten Abfluss der mittlerweile 76-Jährigen Messreihe der etwas weiter Flussabwärts gelegenen Messstelle Niederndorf bedeutet.

Mit einem kurzen Video möchte ich diesen Bericht abschließen und möchte mein Beileid an alle Opfer aussprechen und hoffe, dass solche Ereignisse in Zukunft mit geringeren Schäden und besseren Vorbereitungen stattfinden werden.

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