Starkregentief Bernd

Mitte Juli 2021 zog Tief Bernd sehr langsam über Mitteleuropa und brachte auf seinem Weg verbreitet massive Überflutungen. Sämtliche Regen – Rekorde wurden sozusagen Pulverisiert. Ein Extremereignis folgte dem nächsten, Jahrhundertereignisse wurden weit übertroffen. Besonders schlimm erwischt hat es in Deutschland das Ahrtal, dazu mehr unter folgendem Bericht  –>LINK<–

Quelle: https://www.krems.info/webcam
Quelle: https://www.krems.info/webcam

Bilder wie diese blieben oft über mehrere Stunden erhalten, eine Gewitterzelle folgte der nächsten und brachten binnen weniger Stunden enorme Regenmengen und verheerende Überflutungen.

Inhalt

Ausgangslage

Es hatte sich schon länger in den Wetterkarten gezeigt, dass es zu einer außergewöhnlichen Wetterlage kommen wird. Hier erkennt man den Trog, wie er über dem Atlantik weiter nach Osten zieht und Richtung Südost zu einem eigenständigen Tiefdruckgebiet wird. Dabei zog es langsam weiter über Mitteleuropa, bis hin in den Mittelmeerraum.

Nachdem in Deutschland die intensiven Niederschläge bereits abgezogen waren, zeichnete sich nun für Österreich ein größeres Niederschlagsereignis ab, wobei die Wettermodelle von kleineren Niederschlagsmengen bis hin zu einer Katastrophe alles im Repertoire hatten.

Leider kam dann doch die extremere Variante.

Ablauf

Ein Indikator deutete schon im Vorhinein auf ein stärkeres Niederschlagsereignis, der PWAT. Das niederschlagbare Wasser in der Atmosphäre. Dieser Wert war mit über 40mm/m² sehr hoch, wie auch zuvor in Deutschland, und somit wurde klar, das wohl die extremere Variante eintreffen wird. Wo der Starkregen genau zuschlagen wird, war aber nicht klar, man konnte nur grob die Gebiete abgrenzen.

Die folgende Animation zeigt den PWAT und es ist sehr schön zu erkennen wie am Morgen des 17. Julis die feuchten Luftmassen Österreich erreicht haben und diese erst am Sonntagabend von trockener Luft aus Nordwesten verdrängt wurden.

Diese extrem hohe Feuchte zeigte sich dann auch auf den Satelliten Bildern. In folgender Animation sind die verschiedenen Luftmassen dargestellt. Die Farben Blau und Grün kennzeichnen eher die feuchteren Luftmassen, während die Rot/Orangen und violetten Farbtöne die trockeneren Luftmassen zeigen.
Schön zu erkennen ist auch, wie bei bestimmter Anströmungsrichtung immer am selben Ort Gewitterzellen entstanden sind.

Quelle: https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/sat/data_jsmsgview.html

Aufgrund dieser Bildern lässt sich schon erahnen, dass es an bestimmten Orten zu extremsten Niederschlägen kam, während es in manchen Gebieten, wie zb dem nördlichen Weinviertel, nur für ein paar Regentropfen gereicht hat.

Extremereignisanalyse – 17. Juli 2021 Wien

Als Erstes wird das Starkregenereignis in der Nordhälfte Wiens vom Abend des 17. Julis analysiert. Hier wurden verbreitet 70-100mm binnen 3h registriert.
In folgendem kurzen Video sieht man schön, wie die gewittrigen Schauer der Reihe nach immer über den selben Standort ziehen, und eine starke Gewitterzelle die Schauerstaffeln beendet hatte.

Quelle: https://www.wetterkameras.at/

Ebenso erkennt man am Radarloop der BOKU-Wetterstation die einzelnen Schauerzellen heranziehen. Allerdings wurde durch die Heftigkeit des Regens das Radarsignal nach außen geblockt, was die Intensität noch mehr unterstreicht.

Von außerhalb betrachtet waren die einzelnen Schauerzellen sehr gut zu erkennen. Auch hier wird deutlich, dass sich diese Zellen immer wieder am selben Ort gebildet haben.

Analog dazu der Feuchtfluss dieses Tages. Hier sieht man, dass vor allem zur Entstehungszeit der stärksten Gewitter über dem Norden der Stadt starke Konvergenzen (blau) herrschten. Danach herrschten in den betroffenen Gebieten sehr starke Divergenzen (rot) die durch den heftigen Niederschlag ausgelöst wurden.

Zum Glück hielt dieses Ereignis nur über wenige Stunden an und somit waren die Niederschlagssummen verhältnismäßig gering im Vergleich zu anderen Gebieten.

Um das Ereignis auch statistisch einordnen zu können wurden mit freundlicher Unterstützung die Messdaten der BOKU Wetterstation (dunkelblauer Punkt) zur Verfügung gestellt. Als Datenpunkt des Bemessungsniederschlags wurde der Rasterpunkt nähe Dornbach herangezogen (roter Punkt), da dieser die klimatische Situation des Standortes der BOKU Wetterstation am ähnlichsten abbildet.

Wird das Ereignis nun im Detail betrachtet wird schnell deutlich, dass die Summen der einzelnen Schauer mit maximal 20-30l/m² keine Seltenheit darstellen, aber die fortlaufende Summierung durch die Schauer schon.

Der stärkste 10min Niederschlag (gelber Punkt) erreichte mit 10,7l/m² gerade einmal das Wiederkehrsintervall eines ein jährlichen Ereignisses. Laut Statistik bedeutet das einmal pro Jahr oder seltener ein solches Ereignis zu erwarten ist. Wird allerdings die Summe während des gesamten Ereignisses betrachtet, ist sogar ein zehn Jährliches Ereignis deutlich übertroffen worden. Ein Trend der beim zweiten Fallbeispiel noch deutlicher wird.

Extremereignisanalyse – 18. Juli 2021 Wieselburg-Neumarkt

Im Raum Wieselburg und westlich davon in Neumarkt/Ybbs hat dieses Ereignis sämtliche bisherigen Extremereignisse, die bei rund 100mm in 24h lagen, weit übertroffen. Höhere Summen waren bisher nur theoretisch errechnete Werte.

Das Niederschlagsradar zeigt sehr schön, wie in den frühen Morgenstunden des 18. Julis im Lee des Jauerlings nördlich von St. Pölten die ersten Zellen entstanden sind. Auch hier wieder ein ähnliches Bild wie am Abend des Vortages in Wien. Die einzelnen Schauer kamen immer wieder in Staffeln, was auch am Tageszeitraffer der Wieselcam schön zu sehen ist.

Quelle: https://wieselcam.at/

Ebenso auch der Feuchtefluss blieb über dem gesamten Zeitraum beständig und dadurch wurden die betroffenen Gebiete laufend mit neuen Gewittern versorgt. Die blauen Gebiete zeigen hier die Zellen die vorallem im Raum des Jauerlings zwischen St. Pölten, Krems und Melk entstanden sind und sich dann weiter südwestlich (rote Gebiete) wieder ausgeregnet haben, bis zum eintreffen der trockenen Luft am Abend.

Das spiegelt sich auch in den gemessenen Niederschlagssummen wieder.

Unglaubliche 206 Liter pro Quadratmeter hat es hier binnen 24h geregnet. Das gleicht beinahe dem Monsun südlich des Himalayas, der ähnliche Niederschlagssummen bringt. Dieses Ereignis hatte die bisherigen Rekordniederschläge beinahe um das doppelte übertroffen, was auch auch die Auswirkungen zeigen.

Zeitungsartikel in NÖN zu diesem Ereignis

Wieselburg selbst bietet einen Rasterpunkt der Bemessungsniederschläge. anhand dessen fand auch die statistische Auswertung statt.

Allerdings kann man diese Statistik nur als groben Richtwert sehen, da etwas Vergleichbares noch nie zuvor stattgefunden hat.

Klar zu erkennen sind hier die über Stunden hinweg wiederkehrenden Schauer. Der Aufzeichnungsbeginn ist hier um 01h00 Nachts.

Auch hier ist zu erkennen, dass die einzelnen Niederschlagsereignisse keine Extremereignisse darstellen. Die höchste Stundensumme blieb unter dem 5-Jährlichen Ereignis (gelber Punkt). Allerdings auch hier wieder das selbe Bild wie am Vortag in Wien. Durch die laufende Wiederholung der Ereignisse konnten sich unglaubliche Summen ergeben, selbst das theoretisch errechnete 1000-Jährliche Ereignis wurde nach 12 bis 18 Stunden deutlich übertroffen.

Extremer waren die Niederschläge noch knapp weiter südwestlich, dafür sprachen auch die Abflussganglinien der Flüsse, die das Ereignis sehr deutlich widerspiegeln. Am deutlichsten ist das Ereignis anhand der Messstationen entlang der Ybbs abgebildet. Im Oberlauf des Flusses, in Opponitz, überschritt der Durchfluss nur knapp die HQ1 Marke. Im Unterlauf an der Messstelle in Greimpersdorf, am Ort mit den stärksten Niederschlägen, ist die Spitze des Abflusses durch den Starkregen allerdings deutlich höher. Hier übertraf der Abfluss sogar das Hochwasser 1991, was bisher den höchst gemessenen Abfluss darstellt und deutlich über der HQ30 Marke liegt.

Zum Glück ist die Ybbs ein sehr großer Fluss der sehr viel Wasser aufnehmen kann. Jedoch führten sämtliche kleinere Zubringer ein extremes Hochwasser und das verursachte beachtliche Schäden.
Auch anhand der Abflussganglinien der großen und kleinen Erlauf ist das Ereignis deutlich zu erkennen.

Bei allen Abflussganglinien ist der plötzliche Spitze Anstieg der Durchflussmenge mit dem Starkregen am 18. Juli sehr deutlich zu sehen. Auch hier ist sehr auffällig, dass in Scheibbs der Pegel im Laufe des Tages sogar leicht zurück ging aufgrund deutlich leichterer Niederschläge.

Hier kann man von Glück im Unglück sprechen, da der Boden zuvor sehr trocken war und viel Wasser aufnehmen konnte. Ebenso sind auch die größten Niederschläge im Flachland gefallen und so konnten die Wassermassen nicht sofort über den Fluss abfließen. Es fand sozusagen eine Retention statt. Denn ein solche Ereignis im Oberlauf eines Flusses bedeutet üblicherweise ein extremes Hochwasserereignis, da über die Gebirgshänge das Wasser viel schneller in den Vorfluter abfließt.

Allgemeine Betrachtungen

Abgesehen von diesen einzelnen Ereignissen, gab es mit dem Starkregentief Bernd in ganz Mitteleuropaviele ähnliche. Besonders betroffen waren Staulagen und Lee-Lagen von Hügelketten, die diese feuchten Luftmassen sozusagen richtig ausgequetscht haben. Das wird auch schnell klar, wenn man sich die Niederschlagssummen und Verteilung der beiden Tage genauer ansieht.

Auffällig erschien auch, dass die Unwetter dieses Wochenendes nicht so hoch in die Atmosphäre gereicht haben, wie die typischen Schwergewitter im Sommer.

Quelle: https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/sat/data_jsmsgview.html

Dieser Eindruck wird auch durch den Vertikalschnitt der Gewitterzellen deutlich. Die stärksten Niederschläge befinden sich in den unteren Kilometern der Wolken, was bei den üblichen Sommergewittern deutlich höher liegt und oft sogar heftige Niederschläge in der Schwebe gehalten werden durch den starken Aufwind, so wie es bei den Zellen über der Slowakei der Fall ist.

Schlusswort

Was bedeutet das aber nun für die Zukunft?
Allgemein betrachtet, kann die Atmosphäre mit steigender Temperatur mehr Wasser aufnehmen und wie generell bekannt ist, steigen mit dem Klimawandel die Temperaturen immer weiter an. Somit kann die Atmosphäre immer mehr Wasser speichern und es kommt zu längeren intensiveren Niederschlägen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Jetstream durch den schwächer werdenden Temperaturgradienten zwischen nördlichen und südlichen Breiten immer stärkere Mäander bildet. Somit kann es öfter vorkommen, dass ein solcher Trog des stark ausgelenkten Jetstreams abreißt und ein eigenes Tiefdruckgebiet bildet. Ebenso eingefahrene Wetterlagen können dadurch beständiger werden.
Konkret für die Zukunft sind solche bzw ähnliche Ereignisse leider öfters zu erwarten. Obwohl statistisch betrachtet so ein Ereignis in 1000 Jahren nur einmal oder seltener vorkommen sollte, wird es wohl die nächsten Jahre häufiger ähnliche Ereignisse geben.

Wie ich schon vor 10 Jahren gesagt habe als ich mein Projekt “Forces of Nature” ins Leben gerufen habe:

Das Projekt “Forces of Nature” soll die zerstörerischen und schaffenden Kräfte, die wir jeden Tag vor unserer eigenen Haustüre erleben, zeigen! Jeder von uns hat schon heftige Unwetter, schwere Stürme oder Hochwasserkatastrophen mit erlebt. Doch die Menschen neigen dazu, Dinge zu vergessen! Das ist jedoch nicht gut, weil sich die Erde einem ständigen Wandel unterzieht. Wir haben verlernt mit diesem Wandel zu leben. Egal wie zerstörerisch eine Naturgewalt auch sein mag, das Leben siegt immer und Altes geht, damit Neues kommen kann. Leider haben wir uns, in unserer Gesellschaft, daran gewöhnt im Jetzt zu leben und denken nicht mehr daran, was unsere jetzigen Handlungen morgen für Auswirkungen haben könnten und schon gar nicht, was in der Vergangenheit war und das wir eventuell aus Fehlern lernen könnten!

Konkret bedeutet das nun, dass es an der Zeit ist, dass wir uns an diese neuen Situationen anpassen lernen müssen und nicht versuchen sollten, Altes aufrecht zu erhalten, denn die Natur ist stärker und sie wird es uns immer wieder auf so eindrucksvolle Weise zeigen, bis wir endlich gelernt haben mit der Natur zu Leben, anstatt zu versuchen sie zu bändigen.

Zum Abschluss ein Video, dass den Starkregen und seine Auswirkungen zeigt.

NACHTRAG:

Eine sehr Interessante DOKU zu genau diesem Thema mit vielen aufschlussreichen Erklärungen:

Quellen:

Mit freundlicher Unterstützung des Instituts für Meteorologie und Klimatologie (BOKU-Met)
BOKU-Wetterstation

https://wieselcam.at/
https://www.wetterkameras.at/
https://kachelmannwetter.com/at
https://www.krems.info/webcam
https://www.wetterzentrale.de/
https://ehyd.gv.at/?g_card=pegelaktuell
https://www.noe.gv.at/wasserstand/#/de/Messstellen/Map/Durchfluss
http://www.zamg.ac.at/incaanalyse/
https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/sat/data_jsmsgview.html
https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/rad/data_jsradview.html


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