Tornadic Supercell hits Czech Republic

Am 24. Juni gab es über Mitteleuropa ein Unwetter-Ourbreak, wie es seit Jahren nicht mehr beobachtet wurde.

Praktisch jedes entstandene Gewitter wurde von der Windscherung in Rotation versetzt und hatte das Potential zu einer Superzelle mit großem Hagel zu werden. Nach ausführlicher Lagebesprechung und Analyse des Zielgebietes mit meinen Kollegen Dominik und Mathias, entschlossen Dominik und ich aufzubrechen und diese potentiell gefährliche Unwetterlage zu dokumentieren.

INHALT:

Ausgangslage:

Die Tage zuvor wurde es laufend wärmer und somit konnte sich über lange Zeit sehr viel Energie ansammeln. Während es über Deutschland zuvor schon extrem schwere Unwetter und Abkühlung gab, ließ diese weiter östlich noch länger auf sich warten.
Das wird auch sehr schnell klar, wenn man sich die CAPE Karte des Tages anschaut.

Deutlich zu erkennen ist, wo die Energie lagert. Werte von 2000-2500 Joule Potentiell verfügbare Energie pro kg Luft sind sehr hoch!

Alle Wettermodelle waren sich einig, dass die Unwetter des Tages besonders heftig werden würden, nur die Position war von Modell zu Modell unterschiedlich. Denn einerseits hatte auch Estofex die höchste Warnstufe für das nördliche Oberösterreich herausgegeben und die Wetterkarten unterstützten diese Einschätzung.

Link zum ESTOFEX FORECAST 24.06.2021

Andererseits gab es auch einen Faktor, der an diesem Tag die Entstehung schwerer Unwetter massiv begünstigte und zwar der CIN.

Während der CIN über dem Wiener Becken und dem nördlichen Oberösterreich relativ niedrig ausfiel, lag er im nordöstlichen Niederösterreich deutlich höher und konnte somit frühzeitige Entwicklungen unterbinden (grüner Fleck). Deswegen konnte es im Laufe des Nachmittags am 24. Juni über dem Weinviertel massiv aufheizen. So eine Wetterlage nennt sich “Loaded Gun”. Sobald die ersten Gewitterzellen den Deckel brechen, erfolgt der Start-Schuss für ein Inferno.

Das Chasing

Kurz nach 14h gab es über dem Bergland der nord-östlichen Voralpen die ersten Gewitterzellen, die Richtung Nordost zogen. diese erreichten das Flachland und triggerten noch weitere stärkere Entwicklungen. Zwar waren diese ersten Zellen auch schon sehr stark mit Hagel bis 4cm, aber noch nichts im Vergleich zu dem was später folgen sollte.

Chasingroute 24. Juni 2021 – Quelle: http://radar.bourky.cz/
Für Animation bitte klicken

Um 16h MESZ (14h UTC) konnten wir aufbrechen und als wir kurz vor 17h MESZ den Standort 1 auf der Karte erreicht hatten gab es schon die erste Überraschung des Tages, eine wunderschöne LP Meso mit tiefhängender Wallcloud, die zu diesem Zeitpunkt nicht mal Blitzaktiv war. Erst später, wie am Radar ersichtlich, entwickelte sich diese Zelle zu einer Superzelle. Die schönen Strukturen gaben schon einen ersten Vorgeschmack, was an diesem Tag noch alles möglich sein könnte.

Leider verschwand die Zelle sehr schnell hinter dem Hügel und wir durften keine Zeit verlieren, da die Gewitter an diesem Tag mit 40-60km/h Luftliniengeschwindigkeit unterwegs waren. Das bedeutet, dass man diese nur auf den hochrangigen Straßen verfolgen kann, da sie sonst zu schnell wären und davon ziehen.

Am Standort 2 sah es nach der ersten Unwetterstaffel kurzfristig so aus, als wäre die Energie aufgebraucht. Doch der kühle Outflow wurde vom warmen SO Wind wieder zurück gedrängt und es entstand direkt vor uns, getriggert von der Konvergenz und die starke Scherung eine Superzelle.

Blick Richtung SW

Zuerst entstand an der Südgrenze eine schöne Meso, doch der dominante Teil der Zelle wurde dann der nördlichere Teil, der binnen 20min wunderschöne Strukturen ausgebildet hatte. Die folgenden Bilder Blickrichtung NW lasse ich für sich selbst sprechen.

18h37
18h41
18h42
18h54
18h57

So entstand binnen 20min aus einer unscheinbaren Schauerzelle eine kräftige Superzelle.

Kurz darauf brachen wir auf und verlagerten schnellstmöglich zu Standort 3. Selbst auf der Schnellstraße und der Autobahn war es nur schwer möglich genügend Sicherheitsabstand zur Zelle zu bekommen.

Letzten Endes konnten wir aber zum Glück doch ein Paar Minuten Abstand gewinnen.

Allerdings war das Unwetter so schnell, dass uns dieses selbst nach einer drei viertel Stunde Autofahrt keine Verschnaufpause ließ! Kaum waren wir am Standort 3 angekommen, war es auch schon so gut wie über uns.

Vor allem bei diesem Bild ist sehr gut der RFD mit Hagel und die Wirbel in der Wallcloud zu erkennen. Diese trichterförmigen Wolkenabsenkungen markieren die Stelle, an der, weniger als einer Stunde später, ein starker Tornado entstand. Dieser verwüstete sämtliche Ortschaften an der Österreichisch-Tschechischen Grenze.

Wenige Minuten später war die Zelle über unseren Standort hinweg gezogen und es reichte noch für ein paar eindrucksvolle Fotos der Rückseite.

Eindrucksvoll ist der hohe Grad der Organisation. Der Inflow der energiereichen Luftmassen von Rechts nach Links im Bild, in das System hinein, sowie der scharf abgegrenzte Outflow mit Niederschlagskern (links im Bild).

Uns war klar, dass diese Zelle wohl sehr großes Potential für einen Tornado hat, aber wann und wo, war für uns unklar. Jedenfalls beschlossen wir aufgrund ungünstiger Straßen, die uns direkt ins Unwetter geführt hätten, die Zelle ziehen zu lassen.

Nach einer kurzen Verschnaufpause und einer vorzüglichen “Stormchaser Tankstellen-Jause”, entdeckten wir knapp westlich auf dem Radar und am Horizont eine weitere entstehende Meso. Diese konnten wir am Standort 4 bei ihrer Entstehung festhalten und brachte zum Abschluss des Tages noch ein paar heftige Naheinschläge mit sich.

Danach ging es für uns auf den Rückweg und schon zu diesem Zeitpunkt fielen uns einige Rettungsfahrzeuge mit Blaulicht auf, die ein ungutes Gefühl aufkommen ließen.

Es gab einen Tornado! Und zwar einen der Stärksten, die jemals in Europa registriert wurden! Dokumentarbilder aus den betroffenen Städten lassen auf eine Stärke von F3/T7 schließen. Berichten zufolge lag die maximale Stärke bei F4/T8 was maximale Windgeschwindigkeiten von rund 350km/h bedeutet! Im nachfolgenden Video möchte ich die Entstehung des Unwetters und die Heftigkeit des Tornados verdeutlichen!

Es ist leider sehr traurig, dass die betroffenen Menschen dieser Naturgewalt vollkommen unvorbereitet ausgeliefert waren! Damit es zu so einer Katastrophe kommen konnte, haben sämtliche Institutionen versagt und es besteht enormer Handlungsbedarf auf allen Ebenen! Dazu aber später mehr!

Ereignis Analyse – Parameter

So außergewöhnlich heftig diese Unwetter waren, so außergewöhnlich war auch das Zusammenspiel aller nötigen Parameter.

Quelle: https://www.wetterzentrale.de/

Wie anfangs schon erwähnt, haben diese Unwetter das Ende der ersten Hitzewelle des Sommers 2021 eingeläutet. Auf der Verteilung der großräumigen Druckgebiete erkennt man sehr schön die beiden Tiefdruckgebiete über Frankreich und der Türkei, sowie das Hochdruckgebiet dazwischen. Österreich lag zu diesem Zeitpunkt genau an der Grenze zwischen Hoch und Tiefdruckgebiet Dies hat zu einer Labilisierung der Luftmassen geführt. Ebenso wie an der Grenze der großen Druckgebiete üblich, lag der Jetstream genau an deren Rand und somit genau über Mitteleuropa. Allerdings wurde die energiereiche Luft nicht wie üblich mit der Druckwelle einer Kaltfront ausgeräumt, sondern stückweise mit vorlaufenden Unwettern, ehe die eigentliche Kaltfront erst in der Nacht durchzog und die restliche Energie umgesetzt hatte.

Auffällig an diesem Tag war, dass sozusagen alle Parameter sehr gut zur Entstehung von Superzellen und Tornados zusammengespielt haben. Der Sondenaufstieg zu Mittag des Tages zeigt die Parameter sehr deutlich.


CAPE und CIN:
Anhand des Vertikalschnittes der Luftarmassen des Tages ist schon sehr gut zu erkennen, dass es gegen Osten (Budapest) weniger CAPE und einen stärkeren CIN gab, während des Richtung Norden bzw. Nordosten (Prostejov) Mehr Energie und einen schwächeren Deckel gab.

PWAT:
Der PWAT, das niederschlagbare Wasser einer Luftmasse, war mit Werten um, bzw über 30mm, sehr hoch und zeigt den hohen Wassergehalt der Luftmasse.

LCLP:
Ein guter Parameter ist auch der LCLP, der der das Kondensationsniveau, die Höhe in hPa der Wolkenunterseite, beschreibt. In Budapest gab es ein erheblich höheres Kondesationsniveau als in Prostejov. Nach den Gesetzen der Physik, wird bei Kondensation von Wasserdampf noch zusätzlich Energie frei. Das bedeutet, dass ein aufsteigendes Luftpaket schneller, einen aufgrund dieser Luftmassen, sich selbst verstärkenden Kreislauf in Gang setzen kann. Ebenso für die Entstehung für Tornados ist das Kondensationsniveau von großer Bedeutung. Da die frei werdende Kondensationswärme in Form von Energie zur Umsetzung in Bewegungsenergie nun zur Verfügung steht. Wichtig ist allerdings zu beachten, sobald sich in so einem System die zuströmenden Luftmassen ändern, wird sich auch das gesamte System entsprechend des Zustromes ändern.
Das Kondensationsniveau lag an diesem Tag in Budapest bei rund 730hPa, bzw um die 2500müNN und in Prostejov bei ca 890hPa, was ca 900müNN entspricht, was einem relativ tiefen Wert entspricht..

Scherung:
Ebenso deutlich ist auch die starke Richtungs-, wie auch Geschwindigkeitsscherung mit der Höhe. So wird praktisch jede vertikale Luftströmung in Rotation versetzt.

Am aufschlussreichsten ist jedoch die Karte der Bodenströmung und Äquivalent potentiellen Temperatur als Indikator der vorhandenen bodennahen Energie. Hier sieht man klar die Konvergenz über dem Weinviertel (zusammenlaufende Pfeile) und das eindrehen des warmen bodennahen Südostwindes. In Kombination mit der extrem hohen konvektiven Energie, die aufsteigende Luftpakete weiter hebt, war es sozusagen zu erwarten, dass sehr starke Superzellen und auch starke Tornados entstehen können. Hier kann man sich das ähnlich wie den Sog eines Strudels im Abfluss vorstellen, nur in die andere Richtung.
Gepaart mit der hohen Energie und dem günstigen Windfeld, hat es aufgrund des CIN über dem Gebiet nur einen Trigger gebraucht, bis der “Loaded Gun” Effekt los ging.

Ereignis Analyse – Ablauf

Die Radarbilder des Tages zeigen sehr deutlich die ersten Zellen des Tages über der Obersteiermark und dem Wienerwald. Diese sind über dem Flachland des Ostens wieder zusammengefallen, aber haben sozusagen als Trigger für die Zellen im nördlichen Niederösterreich fungiert. Dies ist am Radarloop sehr schön zu erkennen, ebenso wie auch der “Loaded-Gun” Effekt, als plötzlich alles explodiert ist.

Nach der ersten Unwetter Staffel folgt die massive Superzelle, die entlang der Konvergenz über dem Weinviertel die gesamte advektierte energiereiche Luftmasse aus Südosten aufnehmen kann. Beachtlich ist hier, dass diese Zelle schneller als die anderen Zellen zu diesem Zeitpunkt am Südende des Komplexes zieht. Ein weiterer Indikator wie hoch die umgesetzte Energie zu diesem Zeitpunkt war.

Wie auch üblich mit so extremen Unwettern war auch die Blitzdichte enorm hoch, mit fast 120.000 Entladungen pro 90 Minuten!

Leider sind bei solchen Extremereignissen auch heftige Niederschläge mit dabei. So wurde flächendeckend Hagel registriert, der punktuell sogar über 8cm Korngröße erreicht hat!

Andererseits waren aber leider auch heftige Niederschlagsraten und Summen ein Thema. So wurden Flächendeckend mit den Unwettern bis zu 50mm Niederschlag binnen kürzester Zeit registriert, punktuell wie zb im Raum Horn, bis zu 150mm binnen kürzester Zeit!

Schlusswort

Wie immer nach so gewaltigen Ereignissen türmen sich die Anteilnahmen und Medienberichte über die betroffenen Gebiete und Opfer. An dieser Stelle möchte auch ich mein herzlichstes Beileid allen Betroffenen aussprechen!

Allerdings was angesichts dieser Katastrophe noch viel wichtiger ist, warum traf es die Menschen unvorbereitet?! Es war klar wie gefährlich die Wetterlage an diesem Tag ist. Es war klar, wenn es Gewitter in dieser Region geben wird, dass diese enorme Gefahren mit sich bringen werden! Wie schon zuvor erwähnt war schon einige Stunden zuvor der “Loaded-Gun” Effekt klar. Das bedeutet nicht, dass etwas passieren muss, so einen Effekt gibt es fast jedes Jahr. Aber es war spätestens am Nachmittag zu erwarten, dass dieser Effekt aktiviert wird, da der Trigger für die Unwetter schon ausgelöst wurde.
Ich möchte keinen Schuldigen suchen, da es keinen gibt. Viel mehr ist die Informationskette, die zuständigen Institutionen und der Umgang der Bevölkerung mit solchen Ereignissen das Problem. Die Medien und Wetterdienste reagieren zu langsam, die Bevölkerung hat keine Ahnung wie im Extremfall zu reagieren ist.

Es besteht enormer Handlungsbedarf! Nicht nur an einer Stelle, sondern überall, im gesamten System! Es muss das Bewusstsein für solche Ereignisse gebildet werden. Jedes Jahr sterben dutzende Menschen, weil sie einfach nicht wissen, was Extremwetter bedeutet! Weil der Informationsgehalt in den Medien sehr ausbaufähig ist! Weil niemand weiß, was diese bedrohlichen dunklen Wolken bedeuten!
“Ah, die Wolken ziehen eh vorbei!” …. Nein das ist eine Superzelle, die Schert aus und kommt genau auf dich zu! Nur das wissen die Meisten nicht und werden dann “Überrascht”! … Deswegen sterben jedes Jahr viele Menschen und es gibt unzählige Verletzte!

Genau das ist meine Motivation und der Ansatz dieses Projektes, Forces of Nature, die Menschen aufzuklären, Bewusstsein zu schaffen und zu Unterrichten.

Unwetter können wir leider keine Verhindern, aber die Zahl der Opfer und Schäden kann minimiert werden und um das zu erreichen steht noch viel Arbeit vor uns, wie die jüngsten Katastrophen zeigen!

QUELLEN:

https://kachelmannwetter.com/at
http://weather.uwyo.edu/upperair/sounding.html
https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/blesk/data_jsceldnview.html
https://www.chmi.cz/files/portal/docs/meteo/rad/data_jsradview.html
http://radar.bourky.cz/
http://www.modellzentrale.de/WRF4km/index.php
https://www.wetterzentrale.de/
https://www.estofex.org/

Mit freundlicher Unterstützung der UBIMET GmbH
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